Der Tod im Rückspiegel

Als Redakteur eines Autoblogs reagiert man sensibilisiert, wenn Medien über Autothemen berichten. Aus diesem Grund hörte ich aufmerksam zu, als ich einen Bericht über einen tödlichen Unfall hörte, der mir Anstoß zum Nachdenken gab.
Stefan Novotny 29. März 2019
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Auf der Suche nach einem neuen Podcast stieß ich auf “Zeit: Verbrechen”. Bei der Zeit handelt es sich um eine der größten Deutschen Wochenzeitungen, die sehr geschätzt und renommiert ist. Ohne zu wissen, worauf ich mich einließ, startete ich mit der Folge, die den Namen “Der Tod im Rückspiegel” trägt und siehe da: Als Redakteur eines Autoblogs war ich vom Thema sofort gefesselt.

In diesem Podcast werden interessante Rechtsfälle aus der Vergangenheit besprochen und analysiert. Es handelt sich hierbei um einen Dialog zwischen Sabine Rückert (ehemalige Gerichtsreporterin und Mitglied der “Zeit”-Chefredaktion) und Andreas Sentker (Ressortleiter von “Zeit” Wissen).

In der Folge “Der Tod im Rückspiegel” ging es um einen Fall aus dem Jahr 2003.

Tod durch Drängeln

Folgendes ist passiert: Auf der Autobahn in Deutschland, auf der kein Tempolimit gilt, fuhr eine Mutter mit ihrem Kleinkind im Auto. Dabei handelte es sich um einen kleinen silbernen KIA. Plötzlich erschien der Frau ein großer dunkler Mercedes mit Lichthupe im Rückspiegel, der sich sehr schnell mit großer Geschwindigkeit näherte. Die Frau erschrak, verriss das Auto und knallte gegen einen Baum am rechten Fahrbahnrand.

Für die Frau und ihr Kind kam jede Hilfe zu spät, beide verstarben noch am Unfallort. Der Baum fiel auf die Autobahn und blockierte diese anschließend. Der Mercedes raste davon.

Ganz Deutschland war in den folgenden Monaten in Aufregung. Dieser Fall polarisierte. Eine Sonderkommission wurde eingerichtet. Es gab mehr als 700 Tatverdächtige. Darunter war auch der Täter.

Dieser konnte überführt werden, da es detaillierte Aussagen über das Täterfahrzeug gegeben hat. Man konnte das Modell eingrenzen, weil man einen Mercedes mit zwei getrennten Frontscheinwerfern erkannte. Auch die Auspuffrohre gaben Aufschluss auf das Auto. Die Nummerntafel ließ auf ein Testauto von Mercedes schließen. Der Täter leugnete bis zum Schluß die Tat, wurde aber zu 1 ½ Jahren Haft verurteilt.

Hat die Gesellschaft dazu gelernt?

Nun ist dieser Unfall schon mehr als 15 Jahre her. An Aktualität hat er jedoch nichts eingebüsst. Warum ist der Fall so emotional diskutiert worden?

Drängeln ist leider gang und gebe auf den Autobahnen in Deutschland, aber auch in Österreich. Fährt ein Fahrzeug zu langsam, wird gerne gefährlich nah aufgefahren und versucht, mit der Lichthupe Aufmerksamkeit zu erregen.

Dass dieses Verhalten sehr gefährlich und fahrlässig ist, zeigt nicht nur der Tod der jungen Mutter und ihrer Tochter.

In Österreich geht ein Großteil aller Unfälle auf Autobahn auf Drängeln zurück.
Trotz all dieser Fakten gehört Drängeln in der Regel noch immer zur Autobahnfahrt. Die Strafen dafür sind ziemlich hoch.

Beträgt der Abstand zum Vorderfahrzeug zwischen 0,4 Sekunden und einer Sekunde, ist mit einer Strafe bis zu 726 Euro zu rechnen. Zwischen 0,2 Sekunden und 0,4 Sekunden ist die Strafe bis zu 2180 Euro hoch. Zusätzlich gibt es eine Vormerkung. Für noch näheres Auffahren muss man zusätzlich zur Strafe den Führerschein bis zu 6 Monate abgeben. Im schlimmsten Fall wird man wegen Nötigung angeklagt.

Die Strafen zu dem Delikt sind ziemlich hoch. Dennoch schrecken viele nach wie vor nicht davor zurück, sich mit diesem Mittel Platz zu schaffen.

Nach wie vor hat man auf Österreichs Straßen das Gefühl, dass das Recht des stärkeren gelten soll. Je stärker das Auto, desto größer die Rechte. Wäre der Mercedes Fahrer auch so aggressiv und knapp aufgefahren, wenn kein silberner KIA Kleinwagen sondern eine große BMW Limousine davor gefahren wäre? Diese Frage sei einmal dahin gestellt.

Das Rechtsfahrgebot auf Österreichs Autobahnen ist bekannt. Dennoch gibt es eine erhebliche Anzahl von Fahrerinnen und Fahrern, die aus Prinzip nicht in der rechtesten Spur fahren wollen. Dass das mit ein Grund für gefährliche Überholmanöver ist, ist jenen Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenkern oft gar nicht bewusst.

Bringt ein höheres Tempolimit mehr Sicherheit?

Die Diskussion um das Tempolimit ist allgegenwärtig. Unter Auto-Enthusiasten und Enthusiastinnen hört man häufig, dass sie neidisch nach Deutschland schauen, weil man dort so schnell fahren kann, wie man will. Die Gefahr, die eine Autobahn ohne Geschwindigkeitslimit mit sich bringt, wird ausgeblendet.

In Österreich gibt es eine lange Teststrecke auf der A1, auf der man mit Tempo 140 fahren kann. Verkehrsminister Hofer gilt auch als Befürworter von Tempo 160. Viele Menschen plädieren auch dafür. Doch was hat das zur Folge? Umweltargumente werden in diesem Artikel absichtlich ausgeblendet.

Bei höheren Geschwindigkeitsbegrenzungen können Autofahrer legal schneller fahren. Ob jene, die diese Geschwindigkeit nicht fahren, eher auf der rechten Spur bleiben, ist noch nicht bewiesen. Trotzdem birgt jede Erhöhung des Tempolimits die große Gefahr mit sich, dass noch höhere Geschwindigkeiten gefahren werden.

Und die Kluft zwischen langsamen und schnelle Autos wird dadurch noch größer. Die Reaktionszeit bei hohen Geschwindigkeiten wird immer kürzer, potentielle Gefahrenquellen immer größer.

Größte Sicherheit bei korrektem Verhalten

  • Das Rechtsfahrgebot einzuhalten ist wichtig, um die Flüssigkeit des Verkehrs beizubehalten.
  • Wenn man zu einem Überholmanöver ansetzt sollte man sich vergewissern, ob dieses gefahrlos durchgeführt werden kann.
  • Sollte während eines Überholmanövers ein kommende Fahrzeug zu nah auffahren, sollte man keinesfalls mit der Betätigung der Bremse provozieren. Das führt nur zu einem größeren Unfallrisiko.
  • Sollte sich ein Fahrzeug mit zu großer Geschwindigkeit nähern, sollte man es auf jeden Fall überholen lassen.

Selbstjustiz ist bei solchen Geschwindigkeiten nicht angebracht. Fährt ein Auto vor einem zu langsam, ist Drängeln keine Lösung. Es kann auch tödlich enden.

Dieses Thema ist leider ein zeitloses. Spätestens, wenn automatisierte und autonome Autos unsere Straßen beherrschen, wird Drängeln ad acta gelegt werden können. Bis dahin muss man an die Vernunft aller Autofahrerinnen und Autofahrer appellieren, dass so ein Unfall wie in Deutschland 2003 nicht mehr passiert.

Hier geht es zu der Folge “Tod im Rückspiegel” des Podcasts “Zeit: Verbrechen”