Wasserstoff wird sich für den PKW-Bereich nicht etablieren

Rupert Brugger ist Schulungsleiter Technik beim ARBÖ. Wir haben ihn getroffen und mit ihm über die Zukunft der Mobilität gesprochen.
30. August 2020

Gleich hören: Das Interview gibt es jetzt auch als Podcast

AUTOGOTT.AT: Was ist deine Aufgabe beim ARBÖ?
Rupert Brugger: Ich habe im Jahr 2008 beim ARBÖ als Pannenfahrer angefangen. Seit 2017 bin ich Bundesschulungsleiter. Ich bin verantwortlich für das Erstellen von Schulungsunterlagen und das Durchführen von Grundschulungen. Jeder Mitarbeiter, der zum ARBÖ kommt, muss eine technische Grundschulung durchlaufen. Auch die Hochvoltausbildung (HV2) ist bei mir zu absolvieren. 

Wie geht der ARBÖ mit dem Thema Elektromobilität um?
Das Thema Elektromobilität ist präsent. Seit mittlerweile drei Jahren arbeiten wir intensiv darauf hin, dass wir eine eigene Ausbildungsschiene fahren und Hochvoltausbildungen anbieten. Wir halten für die Techniker außerdem Informationen bereit, wenn sie zu einem Unfallfahrzeug kommen. Die Techniker sehen so ganz genau, wo das Auto seine Hochvoltkomponenten hat und weiß, wo die gefährlichen Stellen sind. Wenn man zum Beispiel mit dem BMW i3 einen Frontalaufprall hat, ist das Hochvoltsystem weniger gefährdet als bei einem Heckaufprall, weil hinten die ganzen Komponenten sitzen. Wichtig ist, dass der Techniker vor Ort diese Informationen hat und durch unsere Ausbildung weiß, wie er mit dem Strom umzugehen hat und wo die gefährlichen Punkte im Fahrzeug sind. So einheitlich der Strom ist, so unterschiedlich sind die Bauteil-Lagen von Hersteller zu Hersteller. 

Wie schützt sich der Techniker vor Strom?
Hauptsächlich mit persönlicher Schutzausrüstung: Augenschutz und Gesichtsschutz, Schutzhandschuhe und natürlich die Arbeitskleidung.

Die E-Maschine läuft fast autark. Da gibt es keinen wirklichen mechanischen Verschleiß. Ich brauche kein Öl für die E-Maschine.

Was muss eine Werkstätte können, dass sie ein Elektroauto servicieren kann?
Das muss man zweiteilig betrachten. Rein servicieren im Sinne von der Bremsenreparatur, einem Ölwechsel, wenn es ein Hybridauto ist, der noch einen Verbrennungsmotor mit an Bord hat, einen Wechsel des Innenraumfilters - das braucht tatsächlich keine spezielle Ausbildung. Dort wird in die Hochvoltanlage des Fahrzeuges nicht eingegriffen. Das heißt, die Mitarbeiter brauchen dann nur eine Sicherheitsunterweisung. Sie wissen, dass alles was Orange ausgeführt oder bearbeitet wurde, nicht angerührt werden darf.
Wir beim ARBÖ haben uns darauf spezialisiert, dass wir Pannen- und Unfallfahrzeuge auf der Straße behandeln können. Die Reparatur von Hochvolt Bauelementen in den Prüfzentren ist derzeit nicht vorgesehen und auch noch nicht wirklich relevant. 
In den freien Werkstätten und Markenwerkstätten, in denen ins Hochvoltsystem eingegriffen wird, braucht man natürlich ausgebildete Hochvolttechniker. Die sind dann aber auch produktspezifisch geschult. Nach einer gewissen Grundausbildung werden diese Techniker auf jedes individuelle Modell geschult, sodass er die Bauteile korrekt tauschen kann. Teilweise wird auch schon eine Batteriereparatur angeboten. Renault macht das schon, VW will das in Zukunft auch machen. Da geht es dann mit der Ausbildung noch eine Stufe weiter, denn da muss ich den Kasten aufmachen und unter Spannung arbeiten. In den freien Werkstätten ist der Bedarf noch nicht da. Es wird derzeit bei Elektroautos auch noch wenig kaputt, das ist noch nicht die Masse, aber das wird kommen. 

Was ist der Unterschied zwischen einem Elektroauto und einem Auto mit Verbrenner beim Service und bei den Servicekosten?
Das ist leicht zu erklären. Der Verbrennungsmotor hat Öl. Ich brauche für die Luft, die er ansaugt, einen Luftfilter. Ich brauche für den Kraftstoff, den er verbrennt, einen Kraftstofffilter. Diese Punkte fallen beim Elektroauto weg. Die E-Maschine läuft fast autark. Da gibt es keinen wirklichen mechanischen Verschleiß. Ich brauche kein Öl für die E-Maschine. Es ist eigentlich nur eine geringe Menge Öl vorhanden, im Untersetzungsgetriebe. Das braucht man aber auch nicht wechseln, beim Verbrenner wechselt man auch nur ganz selten das Getriebeöl. Dadurch entstehen dann diese geringen Servicekosten. Man muss den Innenraumfilter tauschen und sich die Bremsen anschauen. Da ist aber der Verschleiß sehr gering, weil ein Elektroauto durch Rekuperation hauptsächlich elektrisch bremst. Und was ist dann noch? Du hast dann noch den Reifen, wo du einmal Luft prüfst. Soweit ist das Auto dann serviciert. 

Die Bremsen beim Elektroauto halten länger und werden nicht mehr beansprucht, obwohl das Elektroauto in der Regel mehr Gewicht hat?
Nein. Das sehe ich nicht so. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meine Bremsen an Verrostung sterben und nicht am Verschleiß. Man muss bedenken, dass ein Elektromotor 30-60 kW hat. Ich benutze den Motor als Generator, da kann ich annähernd die gleiche Last zum Bremsen verwenden. So gut er beschleunigt, wird er nicht bremsen. Aber er wird eine sehr gute Bremswirkung erzielen, und zwar elektrisch, solange in der Batterie Platz ist. Bei einem Elektroauto ist da viel Platz. Das funktioniert einwandfrei. Ich bin selbst schon einmal mit einem Hyundai IONIQ am Großglockner gefahren und war fasziniert. Das, was man beim Hinauffahren verbraucht, gewinnt man nicht beim Herunterfahren. Aber es entspricht in der Länge etwa dem, was du auf einer ebenen Strecke verbraucht hättest. Das ist für mich sehr faszinierend gewesen. 

Warum bist du mit einem Hyundai IONIQ am Großglockner gefahren?
Dienstlich. Das war ein reiner Versuch. Ich habe bei uns intern in der Firma ein Auto tauschen können und bin wirklich einmal sechs Wochen lang mit einem Elektroauto gefahren. Ich bin 6.000 Kilometer gefahren.

Wie war das Erlebnis? Welche Eindrücke konntest du gewinnen?
Ich wohne im Salzburger Lungau. Mein Standort ist Tamsweg, bin aber viel in den Schulungszentren in Niederösterreich, Wien und Salzburg unterwegs. Und da bin ich dann natürlich auch bewusst viel gefahren. Ich habe auch geschaut, wie es mit dem Laden funktioniert. Das war interessant. Ich wollte das unbedingt einmal ausprobieren und habe hier die Möglichkeit dazu gehabt.

Und ist einmal der Akku ausgegangen, weil es an Reichweite gefehlt hat? Was hältst du von der Reichweitenangst in der Bevölkerung?
Nein. Wie viel fährt man täglich? Jeder muss sich die Frage stellen, wie viel man täglich fährt. Ein Vertreter wird mit einem Elektroauto noch keine Freude haben. Der fährt täglich weite Strecken. Der wird sich nach etwas anderem umschauen müssen. Das reine Privatfahrzeug fährt einkaufen, in den Kindergarten, in die Schule und fahrt vielleicht in die Arbeit. Und was ist heute der durchschnittliche Arbeitsweg? Natürlich gibt es heute Pendler die weit fahren. Aber in der Regel fährt man in die Arbeit nicht mehr als 10 Kilometer. Und dafür reicht das Elektroauto. Was wird passieren? Man wird in die Firma fahren. Hat man dort eine Lademöglichkeit, wird man gleich den Firmenstrom schnappen. Habe ich den nicht, dann stecke ich daheim an und fahre am nächsten Tag in der Früh mit vollem Akku wieder los. 

Wenn ich ein Vertreter in einem urbanen Gebiet bin, kann ich auch mit einem Elektroauto gut fahren.
Im urbanen Gebiet: Ja. Auf jeden Fall. Ich bin eher vom Lungau ausgegangen. Wenn ich einen Termin mit dem Hyundai IONIQ in Wien hatte, ist es sich ohne Ladestopp auch nicht ausgegangen. Das musst du planen. Man ist schlecht beraten, wenn man heute fahrt und das Auto “Mord und Totschlag” schreit und dann natürlich keine Ladesäule findet.

Wie war für dich die Fahrt von Salzburg nach Wien? Wie viel Zeit hast du durch das Laden verloren?
Ich komme aus dem Lungau, das ist das Bundesland Salzburg, aber nicht an der Weststrecke. Unten, über den Semmering, ist der Weg viel kürzer. Das sind knapp 300 Kilometer. Mit Abfahren von der Autobahn, einem Ladestopp und wieder Auffahren auf die Autobahn habe ich im Schnitt 45 Minuten verloren. Der Ladestopp selbst hat circa 25 Minuten gedauert. Die Infrastruktur im Murtal ist gut. Es gibt Schnelllademöglichkeiten in Judenburg, Spielberg und in St. Margarethen bei Knittelfeld. Das war für mich ideal, weil sie genau in der Mitte der Strecke lagen. 

Wenn man heute in Österreich ein Elektroauto kauft, was muss das Auto können?
Ganz eindeutig: Schnellladen. Was das Auto am Wechselstromnetz macht, ob das einphasig oder dreiphasig ist, ist meiner Meinung nach egal. Das ist nie etwas, was schnell geht. Und damit ist das komplett egal. Daheim lade ich einphasig, das muss auch nicht mehr können. Wichtig ist, wenn ich unterwegs bin, muss es schnellladefähig sein. Das muss in 20 bis 25 Minuten erledigt sein. Wenn ein Auto das nicht hätte, wäre es ein absolutes No-Go. Die Batteriekapazität ist sehr individuell zu betrachten, wie wir es auch beim Verbrenner schon hatten. Man hat sich einen Verbrenner für Kurz- oder Langstrecken gekauft. Beim Elektroauto muss es gleich sein. Wenn ich heute ein Elektroauto habe, mit dem ich nicht lange Strecken fahre, wird die mittel-dimensionierte Batterie nicht das Auswahlkriterium sein. Wenn ich weiß, ich fahre lange Strecken wie Salzburg Wien, würde ich ein Auto wählen, mit dem ich auch die Reichweite überbrücken kann. Genauso differenziert muss man das heute auch betrachten. Es sollte, wie schon beim Verbrenner, auf den Benutzer zugeschnitten sein. Das ist oft ein bisschen missachtet worden. Wenn ich heute daran denke, dass Kurzstreckenfahrer einen Diesel kaufen, aus einer gewissen Überzeugung heraus, die du ihnen auch nicht ausreden kannst, dann verstehe ich es nicht.

Ein SUV ist für mich derzeit kein Elektroauto.

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Das heißt, du verstehst Marken wie Mazda, die einen Elektro-SUV für Kurzstrecken auf den Markt bringen?
Das Konzept ist für mich dem Marktdruck geschuldet. Ein SUV war früher ein Geländeauto. Das hat man bei uns früher am Berg benötigt. Sonst bist du gar nicht dorthin gekommen, wo du hinwolltest. Aber ein SUV heute in der Stadt? Für was brauch ich das? Höher sitzen kann ich in anderen Modellen auch. Klar, für den einen ist es vielleicht ein Sicherheitsgefühl, wenn man mit einem Bulldozer durch die Gegend fährt.

Aber zurück zur Frage. Ein SUV ist für mich derzeit kein Elektroauto. Das ergibt in der Kombination keinen Sinn. Wenn ich heute ein Elektroauto mit 220 Kilometer mache, dann ist das was für den urbanen Bereich, wo ich genau die Vorzüge des Elektroautos ausspielen kann. Aber dazu brauche ich ja keinen SUV. Ich glaube Mazda hat da einfach den Weg gewählt, dass man einen SUV macht, weil es der Markt verlangt. Und eine kleine Batterie, dass man einen guten Preis machen kann. Der Audi e-tron ist ja preislich wirklich nicht für die Masse gedacht. Das muss man auch dazu sagen. Aber von der Reichweite und Ladetechnik handelt es sich dabei um einen Audi. In der Werbung würden sie sagen: Die Audi DNA.

Da habe ich gleich eine Anschlussfrage: Audi hat ein großartiges Elektroauto auf den Markt gebracht, aber ist der auch schon ein Tesla?
Der Tesla wird da in Zukunft mitspielen. Vielleicht noch nicht ganz, was die Materialverarbeitung betrifft. Das haben die Deutschen heraußen, wie das funktioniert. Der Tesla wird das noch lernen. Der Tesla ist, hört man, vom Infotainment, von der Konnektivität ganz weit vorne. Und die Tesla, die da unterwegs sind, machen auch keine Probleme. Zumindest haben wir praktisch keine Tesla Pannen. 

Elektro-SUV sind für dich keine logische Kombination, ist ein Diesel-Hybrid, wie Mercedes ihn hat, eine logische Kombination?
Bei einem modernen Euro 6 Diesel ist die Feinstaub- und NOx Belastung kein Argument mehr. Allerdings mit AdBlue und Partikelfilter. Da ist am Ende des Tages, aus meiner Nicht-Chemiker-Sicht, alles weg. Aber jetzt weiß man, dass eigentlich der Diesel, damit diese Dinge funktionieren, Temperatur braucht. Es muss eine gewisse Betriebstemperatur von 600 Grad haben, dass der Partikelfilter die Partikel am Ende des Tages wieder los werden wird. Und jetzt gebe ich zu diesem System eine Elektrik dazu, die ab und zu den Verbrenner wegschalten soll. Dadurch kühlt das System wieder ab. Ich bin hier noch nicht schlüssig. Natürlich, der Diesel verbraucht von Haus aus weniger. Jetzt verknüpfe ich das Ganze noch mit einer elektrischen Komponente, die für das rein elektrische Fahren gar nicht so sehr gedacht sein wird, sondern elektrisch unterstützen, boosten und rekuperieren soll. Dort wird man jetzt noch den entscheidenden Kraftstoffverbrauch erreichen, der für das Zertifizierungspapier nötig ist. Ich glaube, dass das der Grund ist, warum man einen Diesel jetzt auch elektrifiziert.

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Was ist von einem Plug-In Hybrid Modell zu halten?
Der Plug-In Hybrid ist ja ein bisschen der Zwitter, wenn man sich heute den Verbrauchszyklus der Plug-In Hybriden anschaut. Er fährt mit der vollgeladenen Batterie weg. Dann fährt man zuallererst 50 Kilometer elektrisch. Dann springt einmal der Verbrenner an und der braucht dann nicht mehr viel, bis die 100 Kilometer erreicht sind. Das schaut dann am Papier super aus. Das wird sich jetzt mit dem WLTP auch massiv ändert. Das sieht man auch schon. Der Hybrid ist auch dazu da, dass ich heute die niedrigen Verbrauchswerte darstellen kann, die ich vielleicht mit einem reinen, großen Verbrennermotor so nicht mehr hinbringe. Also hier wird an allen Ecken und Enden herum getrickst. Energierückgewinnung gibt es mittlerweile auch schon im 12 Volt Bereich. Dort kann ich mir diese 1 bis 2 Zehntel herausholen. Diese brauche ich, dass ich unter einen gewissen Grenzwert komme. Ob das dann im Fahren beim Kunden so erreicht wird, ist jeden derzeit egal. Das muss man auch einmal sagen. Auch der Diesel Hybrid wird die Verbrauchswerte senken, die logische Kombination ist es nicht.

Wie werden die Straßen in Österreich in 30 Jahren aussehen? Welche Technologie hat sich durchgesetzt? Oder kommen gar Wasserstofffahrzeuge?
Der Wirkungsgrad von Wasserstoff ist deutlich niedriger als jener vom Strom. Das kann man jeden Menschen sehr einfach erklären: Ich erzeuge heute Strom und speichere diesen in einer Batterie. Das ist ein kurzer und direkter Weg. Wenn ich heute meinen Strom erzeuge, dass ich daraus Wasserstoff mache, den ich dann lagern und transportieren muss, dass ich aus dem Wasserstoff im Auto wieder Strom mache, dann merke ich, dass hier ein sehr erheblicher Zwischenschritt dabei ist. Und an dem Zwischenschritt geht etwas verloren - Zwangsläufig. Darum glaube ich, dass gerade für den PKW-Bereich der Wasserstoff sich nicht etablieren wird. Er wird in diesem Bereich nicht notwendig sein. Dort werde ich Batterie-elektrisch fahren. Es wird der Verbrenner aber auch noch lange nebenherfahren. Alles was Verbrenner-technisch durch kleine Motoren realisierbar ist, macht momentan eh keine Probleme. Den größeren Motoren, die vielleicht Probleme machen, wird man eine Elektrik beistellen. Da sind wir beim Hybrid. Und dann kommt der Batterie-elektrische. Die drei werden noch lange in irgendeiner Art und Weise nebeneinander herfahren. Bei größeren Fahrzeugen, wie LKW und Busse, geht es dann wirklich darum, dass man große Energiemengen zuführen muss, in einer ansprechenden Zeit. Da wird der Wasserstoff interessant. Weil man da einfach in einer kurzen Zeit viel Energie dann aufnehmen kann. Ein LKW wird eine ungleich größere Batterie brauchen, die wird schwerer sein und lange laden müssen. Die Technologie für Schnellladen jenseits der 350 kW wird getestet und entwickelt. Es wird auch einmal einen Batterie-elektrischen LKW geben. Ich denke aber, dass dort der Wasserstoff daheim ist. Dort macht er aus meiner persönlichen Meinung Sinn.

Eine typische Stammtisch Meinung lautet, dass Elektroautos viel gefährlicher als Verbrennerautos sind. Stimmt das?
Nein. Da muss man jetzt auf die Stammtisch Meinung eingehen. Woher kommt die Gefahr? Vom Strom. Am häufigsten hört man, dass gleich einen Stromschlag bekommt. Ein Elektroauto betreibt die elektrische Anlage als Inselbetrieb im Fahrzeug. Da es keine Verbindung zur Außenwelt gibt, ist das System für sich schon sehr gut abgeschottet. Es sind dann vom Fahrzeughersteller noch zusätzlich Sicherheitseinrichtungen eingebaut worden, die einen Schutz gegen elektrischen Schlag bringen. Dass ich heute in die Position komme, muss einmal die Sicherheitseinrichtung beschädigt sein. Wenn man einen Unfall hat, kann es sein, dass das Gehäuse, wo elektrischer Strom enthalten ist, aufbricht und Kontakt zur Fahrzeugkarosserie hat. Aber was ist jetzt das Entscheidende, dass Strom fließen kann? Das ist auch leicht zu erklären. Ich brauche ein Plus und ein Minus. In der Haushaltssteckdose habe ich die Phasen in der Wand und auf der Erdung stehe ich. Dann ist der Kreis sehr leicht zu schließen. Wie verbinde ich im Elektroauto Plus und Minus miteinander? Da brauche ich einen Kurzschluss, wo eine Polarität auf ein Bauteil geht und die andere Polarität auf ein anderes Bauteil oder auf die Karosserie und jetzt muss ich diese beiden Komponenten sozusagen mit blanker Hand verbinden. Jetzt hört man vielleicht schon heraus, wie unwahrscheinlich das eigentlich ist. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hier schon hoch angesetzt. Beim Elektroauto wird grundsätzlich immer, wenn ein Crash erkannt wird, das Hochvoltsystem heruntergefahren. Wenn ein Stecker nicht korrekt verbunden ist, wird das Hochvoltsystem heruntergefahren. Das erkennt es durch Kabelverbindungen, die in die Hochvoltkabel eingearbeitet sind. Wenn heute die Isolation beschädigt wird, zum Beispiel durch einen Maderbiss, werde ich das Fahrzeug nicht mehr in Betrieb nehmen können, weil es selbstständig erkennt, dass eine der Polaritäten an der Karosserie liegt. Und es gibt dann noch die sogenannten Schutzrelais, die heute in der Batterie verbaut sind und die Batterie vom Fahrzeug trennen können. Dass der Stromkreis geschlossen ist, müssen beide Relais verbunden sein. Das passiert aber immer nur dann, wenn vorher die genannten Parameter erfüllt sind und kein Fehler da ist. Sobald irgendwo der kleinste Verdacht auf ein Problem besteht, wird dieses System ausschalten. Das ist der Grundgedanke. Natürlich kann eine Sicherheitseinrichtung bei einem Unfall ausfallen, es müssen aber dann wirklich Isolationsüberwachung und Potentialausgleich nicht mehr gewährleistet sei und beide Schutzrelais mit Fehlfunktion ausfallen. Da kann man Lotto spielen. 

Wenn ich heute meinen Strom erzeuge, dass ich daraus Wasserstoff mache, den ich dann lagern und transportieren muss, dass ich aus dem Wasserstoff im Auto wieder Strom mache, dann merke ich, dass hier ein sehr erheblicher Zwischenschritt dabei ist. Und an dem Zwischenschritt geht etwas verloren - Zwangsläufig. Darum glaube ich, dass gerade für den PKW-Bereich der Wasserstoff sich nicht etablieren wird.

Ein Lotto 6er ist wahrscheinlicher…
...den hätte ich auch lieber! Natürlich, das Gefahrenpotential Strom ernst nehmen, aber dem nicht mit Angst begegnen. Dann bist du falsch beraten. So sage ich es auch unseren Technikern.

Hat der ARBÖ auch schon bei der Ausrüstung der Pannenfahrzeuge aufgrund von vermehrten Aufkommen von Elektroautos aufgerüstet? Wird da nicht mehr nur der Benzinkanister mitgeführt, sondern auch der Akku?
Ich bin da immer noch der Fan davon, das Auto zur Ladesäule zu bringen, wenn der Strom ausgeht. Einen Akku mitnehmen, mit dem ich auf der Panne Strom spenden kann, ist nicht sinnvoll. Das Schnellladenetz schon so, dass man im Umkreis von 30 bis 40 Kilometer etwas finden wird. Entlang der Hauptverbindungsrouten sind wir sehr gut ausgerüstet. Für den Fahrzeugbestand, den wir jetzt haben, reicht die Infrastruktur. Aber man muss ständig weiter investieren, weil auch die Fahrzeuge mehr werden. Im Pannenfahrzeug ist persönliche Schutzausrüstung nun überall an Bord. Die ARBÖ Techniker werden bei uns alle regelmäßig geschult. Die Hochvolttechnikausbildung HV2 haben alle Techniker genossen. Zusätzlich, was entgegen der gesetzlichen Vorgabe ist, wiederholen wir das auch regelmäßig. Wir frischen das regelmäßig auf.

Wenn der ARBÖ zu einer Panne bei einem Elektroauto gerufen wird, was sind hier meistens die Gründe?
Das sind eigentlich die zwei Klassiker. Eine leere 12 Volt Batterie, oder ein Reifenschaden. Ich habe vor zwei Jahren eine Panne mit einem defekten Hochvoltsystem gehabt. Das war damals fast abenteuerlich, eine entsprechende Werkstatt zu finden. Das war ein gängiges Elektroautomodell und wir haben den Schaden an einem Hochvoltbauteil in der Batterie gehabt. Dort darf der HV2 geschulte Techniker nicht mehr hineingreifen, das würde unter HV3 fallen. Diese Techniker sind noch dünn gesät gewesen. Das Fahrzeug ist dann auch bei vier Markenwerkstätten vorbeigefahren, bis es in der nächstgrößeren Landeszentrale zur Reparatur war, wo der geschulte Techniker war. Aber da ist Bewusstsein da und das wird sich auch sehr schnell ändern. Das war ein interessanter Fall damals. Aber sonst sind es wirklich die Klassiker. 
 

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