VCÖ: Für eine klimaverträgliche Mobilitätswende ein stärkeres öffentliches Verkehrsangebot

Wir konnten mit Mag. Christian Gratzer über die Zukunft von Elektroautos in Österreich sprechen. Warum verkaufen sich Elektroautos in manchen Ländern besser als in Österreich? Wie steht es um den Mobilitätswandel hierzulande. Interessante Antwortn in einem interessanten Gespräch.
27. Juli 2020

AUTOGOTT.AT: Was ist der VCÖ und welche Ziele verfolgt dieser?
Mag. Christian Gratzer: Der VCÖ – Mobilität mit Zukunft ist eine gemeinwohlorientierte Organisation, die sich für ein ökologisch verträgliches, sozial gerechtes und ökonomisch effizientes Verkehrssystem einsetzt. Eine intakte Umwelt als Lebensgrundlage auch für zukünftige Generationen ist dem VCÖ ein zentrales Anliegen. Der VCÖ betrachtet Mobilität umfassend und nicht auf ein einzelnes Verkehrsmittel fokussiert. Die Sichtweise des VCÖ ist global orientiert, themenübergreifend und berücksichtigt die Interessen zukünftiger Generationen. Der VCÖ arbeitet wissensbasiert und zeigt Lösungen auf, die auch langfristig zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

VCOE Gratzer Christian 2 (c) VCOE Rita Newman

Wie weit ist Österreich in Sachen Elektromobilität?
Im EU-Vergleich zählt Österreich zu jenen Staaten, die eine Vorreiterrolle einnehmen, vor allem wenn wir E-Mobilität in ihrer gesamten Bandbreite betrachten. Über 95 Prozent der e-mobilen Verkehrsleistung werden ja vom Öffentlichen Verkehr erbracht. Und in keinem EU-Land wird pro Kopf mehr Bahn gefahren als in Österreich. In Europa liegt nur die Schweiz vor uns. Die meistverkauften E-Fahrzeuge sind E-Fahrräder, allein im Vorjahr wurden fast 171.000 E-Bikes verkauft, das waren 18 Mal so viele wie E-Pkw und fast 70 Mal so viele wie E-Mopeds und E-Motorräder. Bei den E-Autos war Österreich im Vorjahr mit einem Anteil von 3,0 Prozent an den Neuzulassungen über dem EU-Schnitt (2,1 Prozent) und besser als Deutschland (1,8 Prozent). Der Abstand zu den Spitzenreitern ist aber deutlich größer geworden: In den Niederlanden waren rund 15 Prozent der neuzugelassenen Pkw reine E-Pkw, in Norwegen sogar rund 46 Prozent. In beiden Staaten kosten Diesel und Benzin deutlich mehr als in Österreich. Für einen Liter Eurosuper sind in den Niederlanden um rund 50 Cent mehr zu zahlen als in Österreich. Auch ist in den Niederlanden die Zulassungssteuer (entspricht der NoVA) für Diesel und Benziner höher.

"Über 95 Prozent der e-mobilen Verkehrsleistung werden ja vom Öffentlichen Verkehr erbracht."

Wird von Österreichs Politik genug für den Mobilitätswandel gemacht? Wo sind Ihrer Meinung nach Nachbesserungen nötig?

Die Förderungen für E-Pkw sind in Österreich sehr umfassend. Neben der nun seit 1. Juli erhöhten Kaufförderung, sind E-Pkw von der NoVA und der Motorbezogenen Versicherungssteuer befreit und zahlen natürlich auch keine Mineralölsteuer. Wer einen E-Pkw als Firmenwagen privat nutzt, zahlt keinen Sachbezug. Reine elektrische Pkw sind zudem vorsteuerabzugsfähig, wenn sie als Firmenfahrzeug angeschafft werden. Auch gibt es Förderungen für die Ladeinfrastruktur. Ein Hindernis für die stärkere Verbreitung von E-Fahrzeugen ist die niedrige Besteuerung von Treibstoffen, insbesondere von Diesel sowie die fehlende CO2-Bepreisung. Für eine klimaverträgliche Mobilitätswende braucht es aus Sicht des VCÖ ein stärkeres öffentliches Verkehrsangebot in den Ballungsräumen und auch Regionen, für die Regionen sind vor allem nachfragegesteuerte Angebote wichtig. Großen Aufholbedarf gibt es in Österreich bei der Rad-Infrastruktur sowohl in der Stadt als auch am Land. Immerhin sind sechs von zehn alltäglichen Autofahrten kürzer zehn Kilometer – was insbesondere mit den immer beliebter werdenden E-Fahrrädern gut zu bewältigen ist, vorausgesetzt  es gibt eine gute Rad-Infrastruktur. Übrigens sind viele Autofahrer auch Radfahrer, sowohl das Fahrrad als auch der Pkw sind Individualverkehrsmittel.   

Wie beurteilen Sie die Rolle der Autoimporteure? Wird von ihnen der Mobilitätswandel gefördert?
Aktuell wird die Kaufprämie für E-Pkw mit unterstützt. Die Hersteller spielen bei der für das Erreichen der Klimaziele nötigen Energiewende im Verkehr eine wichtige Rolle. Nachdem sehr lange bei der Entwicklung von E-Pkw gebremst wurde, ist nun deutlich mehr Tempo erkennbar. Angesichts eines durchschnittlichen Besetzungsgrads von 1,15 Personen pro Pkw, ist zu hoffen, dass die Modelle abspecken und auf Diät gesetzt werden. Denn je schwerer ein Fahrzeug, umso höher der Energieverbrauch.

"Ein Hindernis für die stärkere Verbreitung von E-Fahrzeugen ist die niedrige Besteuerung von Treibstoffen."

Corona für Rückenwind bei Autokäufern gesorgt. Viele Menschen fahren lieber mit dem eigenen Auto, als mit öffentlichen Verkehrsmittel. Ist das einen nachhaltige Entwicklung?
Eine Zunahme des Autoverkehrs schadet ja nicht nur den Anrainerinnen und Anrainer und der Umwelt, sondern auch den Autofahrerinnen und Autofahrern. Denn dann stehen auch jene verstärkt im Stau, die auf das Auto angewiesen sind. Um die Verkehrsbelastung zu reduzieren, haben daher zahlreiche Städte in und außerhalb Europas infolge der Coronakrise dem Radverkehr viel mehr Platz eingeräumt. Das Ergebnis: Mehr Menschen können individuell mobil sein, ohne dass dadurch Staus verursacht werden.    

Von der Österreichischen Regierung gibt es den E-Mobilitätsbonus nun schon in der 3. Auflage. Reicht das als Anreiz für den Umstieg? Würden Sie mehr Anreize setzen?
Das Angebot bestimmt die Nachfrage. In den vergangenen Jahren war die Auswahl an Modellen bei E-Pkw bescheiden, das ändert sich nun sukzessive. Je mehr verschiedene Modelle zur Auswahl stehen, umso mehr Wettbewerb gibt es und damit reduziert sich auch der Preis. Die Politik ist vor allem gefordert, Rahmenbedingungen zu setzen. Dazu gehört auch, dass ein klares Datum genannt wird, ab wann keine Neuwagen mehr mit Verbrennungsmotor verkauft werden, wie das etliche Staaten bereits gemacht haben. Damit wird den Herstellern auch die notwendige Planungssicherheit gegeben.

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